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Propagandistischer Auftakt: die ersten Filmaufnahmen Ostbelgiens

19.09.2022
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Die ersten Filmaufnahmen Ostbelgiens stammen vom 19. August 1919. Sie zeigen den Einmarsch belgischer Truppen in die Stadt Malmedy.

Die Bilder müssen entschlüsselt werden, weil sie propagandistisch aufgeladen sind. Sie wurden vom Cinematographischen Dienst der belgischen Armee gedreht und anschließend in den belgischen Kinos zu Propagandazwecken gezeigt.

Schon die erste Einblendung in dem kurzen schwarz-weiß Film macht dies deutlich. Der Titel „Le Retour à la Mère Patrie“ (dt. Die Rückkehr ins Vaterland) legt offen, dass der Film eine belgisch-nationalistische Perspektive widerspiegelt. Der belgische Staat vertrat 1918 den Standpunkt, mit Eupen-Malmedy ein Gebiet zurückzugewinnen, das ihm aufgrund einer geteilten Vergangenheit zustand. Dieses Gebiet hatte bis vor 1792 wie weite Teile des heutigen Belgiens zu den Spanischen und Österreichischen Niederlanden und anschließend bis 1815 zu Frankreich gehört. Aus dieser Sichtweise kehrte das Gebiet nun nach 105 Jahren preußischer bzw. deutscher Zeit zurück zu seinem Vaterland Belgien.

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Die Bewohner Eupen-Malmedys allerdings waren im Laufe des 19. Jahrhunderts rund hundert Jahre lang im Königreich Preußen sozialisiert worden und mit einem ausgeprägten deutschen Nationalismus aufgewachsen. Viele fühlten sich als preußische Staatsbürger und betrachteten das Deutsche Reich als ihr Vaterland.

Der Film erweckt jedoch einen anderen Eindruck: Menschen stehen an den Straßenrändern und begrüßen in feinen Sommeranzügen und Kleidern die belgischen Truppen. „Malmédy vous salue“ (dt. Malmedy grüßt euch) vermittelt ein Banner am Eingang der Stadt, Belgienflaggen säumen die Straßen und Frauen überreichen Soldaten Blumen. Viele Menschen mögen dem Einzug vornehmlich aus Neugierde beigewohnt haben. Sie winken in die Kamera oder scharen sich um sie. Sie sahen vermutlich zum ersten Mal ein solches Aufnahmegerät.

Aus der Sicht des belgischen Staates war es wichtig, die Ankunft der belgischen Armee als triumphalen Einzug darzustellen. Denn während der Friedensverhandlungen in Versailles zielten die alliierten Delegationen auf einen Anschluss Eupen-Malmedys an das Königreich an, vor allem aus strategischen und wirtschaftlichen Gründen. Deshalb zeigt der zweite Teil des Films auch Bilder des Lagers Elsenborn.

Unbekannt ist, wie viele Einwohner Malmedys in ihren Häusern waren und dem Einzug fernblieben – aus Protest oder einfach aus Desinteresse.

Ähnlich kritisch muss auch mit Filmaufnahmen und Photographien des Einzugs deutscher Truppen am 10. Mai 1940 umgegangen werden. Zu sehen sind immer nur die Menschen, die diesen Einmärschen beigewohnt haben. Es stellen sich immer dieselben Fragen:

  • Welchen Teil der Bevölkerung sieht man?
  • Wer hat die Bilder gemacht?
  • Aus welcher Perspektive wurde der Film aufgenommen?
  • Wie ist der Film geschnitten und welche Sinnzusammenhänge ergeben sich hieraus?
  • Wie sind die Filmaufnahmen kontextualisiert?
  • Warum werden diese Dinge gezeigt?