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Biographien

Irene Janetzky

28.06.2022
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Irene Janetzky (* 13. Mai 1914 in Duisburg; † 19. Juli 2005 in Brüssel) war die Frau, die fast im Alleingang die Grundsteine des heutigen Belgischen Rundfunks legte. Doch hat sie in der bisherigen Historiographie Ostbelgiens noch recht wenig Beachtung erfahren. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie in Ostbelgien hauptsächlich durch ihre Stimme präsent war.

1975 wurde Irene Janetzky mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet (Quelle: Tonarchiv des Belgischen Rundfunks, 11. Januar 1975).

Seit 1945 beeinflusste sie die Geschicke der « Emissions en langue allemande » (dt. Sendungen in deutscher Sprache). Die Frau an der Spitze der Sendungen in deutscher Sprache war Tochter eines Hafeningenieurs. Der Name Janetzky rührt von der schlesischen Herkunft des Vaters, der aus Ratibor (heute Racibórz, Polen) stammte. Die Mutter kam aus Bingen am Rhein. Kurz nach der Geburt Irenes verstarb ihr Vater im September 1914 an der Westfront. Ihre verwitwete Mutter lernte anschließend Bernhard Willems kennen, der heute als wichtiger Historiker Ostbelgiens bekannt ist. Willems war zu diesem Zeitpunkt Lehrer am Gymnasium in Malmedy. Nach Anwendung des Vertrags von Versailles in Eupen-Malmedy-Sankt Vith, nahm die Familie die belgische Staatsbürgerschaft an. Irene Janetzky verbrachte ihre Jugend in der Malmedyer Umgebung und besuchte dort das Königliche Athenäum, bevor sie eine Studienreise nach England und Italien in den dreißiger Jahren unternahm, um die dortigen Sprachen zu erlernen. Bernhard Willems trug in hohem Maße dazu bei, den Horizont seiner Stieftochter zu erweitern.

Der Kontakt zwischen dem Institut National de Radiodiffusion (INR), dem nationalen Rundfunkinstitut, und Janetzky kam zufällig zustande. Das Reichsgesundheitsamt des nationalsozialistischen Regimes war während des Zweiten Weltkriegs in Malmedy im Haus Bernhard Willems untergebracht. Dieses Haus wurde von Willems nach dem Zweiten Weltkrieg den belgischen Behörden zur Verfügung gestellt, sodass er mit diesen in Kontakt war. Fortan setzte er sich für neue Informationsquellen für die deutschsprachigen Belgier ein.

In diesem Zusammenhang existiert ein Schreiben, das Janetzky während einer unbestimmten Zeit mit Sendungen in deutscher Sprache beauftragt. Bemerkenswert ist hierbei, dass der Brief nicht an Janetzky adressiert ist, sondern an ihren Stiefvater Willems. Das Schreiben war von einem Vertrag begleitet, der die Unterschrift von Theo Fleischmann, ein Pionier des belgischen Radios in der Zwischenkriegszeit, trug. Interessanterweise wurde der Vertrag am 4. Oktober 1945 – also drei Tage nach der ersten Ausstrahlung der Sendungen in deutscher Sprache – unterschrieben. Er garantierte keinerlei Rechte für die Zukunft (« […] engagement ne […] donne aucun droit quelconque pour l’avenir. ») und verdeutlichte, auf welch gläsernen Füßen der Sender für die deutschsprachigen Belgier in den Anfangsjahren stand.

Janetzky kann durchaus als eine Pionierin des belgischen Rundfunks bezeichnet werden. Als eine der ersten Sprecherinnen des INR prägte sie den Ton, den die belgischen Behörden im Umgang mit den deutschsprachigen Bürgern anschlug. Aufgrund ihrer Sprachenkenntnisse moderierte Janetzky die erste Ausgabe der Eurovision de la Chanson im belgischen Fernsehen. Auch begleitete sie mehrere belgische Auslandsdelegationen auf Reisen, unter anderem in die Vereinigten Staaten.

Die Privatarchive Janetzkys zeigen, dass sie über ein Netzwerk in ganz Belgien verfügte. In den Dokumenten finden sich auch Spuren, die bezeugen, dass es mediale Kontakte in ganz Europa gab. Sie zeigen, wen Janetzky auf verschiedenen Reisen traf und in welchen Organisationen sie Kontakte knüpfen konnte. Ein Name der belgischen Politik, der hier und da auftaucht, ist der Familienname Nothomb. Verschiedene Briefe deuten an, dass es persönliche Bindungen zwischen der Familie Janetzky und verschiedenen Mitgliedern der Familie Nothomb gegeben haben muss. Auch zeigen die Archive der RTB im Generalstaatsarchiv, dass vor allem Pierre Nothomb – der sich nach dem Ersten Weltkrieg für die Angliederung Eupen-Malmedys an Belgien einsetzte – die Entwicklungen innerhalb des ostbelgischen Senders genau beobachtete.

Wie schon oben besprochen, ebnete sie während geraumer Zeit den Weg für die Sendungen in deutscher Sprache. Unter anderem – und das zeigt erneut, wie sie in Kontakt mit anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stand – war sie Mitbegründerin des Ring deutschsprachiger Sendungen. Eine Organisation, die den Austausch von deutschem Programmangebot zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erleichtern sollte. Die Sitzungsprotokolle zeigen, dass Janetzky versuchte, die Kollaboration zwischen den Institutionen zu stärken, aber ohne ein ausreichendes Budget keine Programminhalte zur Verfügung stellen oder dafür bezahlen konnte. Sie – und dadurch auch der Belgische Hörfunk – waren vom guten Willen der anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten abhängig.

Janetzky war ebenso Mitglied der International Association of Women in Radio and Television, eine internationale Vereinigung von Frauen für Frauen. Ziel war es, die Frauen der Medienwelt zu einen, den Wiederaufbau Europas voranzutreiben und grenzüberschreitende Netzwerke aufzubauen. Dabei waren die Mitglieder der Vereinigung hauptsächlich Pionierinnen der Radio- und Fernsehwelt, die größtenteils informative und bildende Sendungen für Frauen gestalteten.

Obwohl der Belgische Hörfunk unter der Leitung Janetzkys vor allem ein Sprachrohr Brüssels in Richtung Ostbelgiens war und er sich besonders anhand „belgischer“ Themen für die Integration der deutschsprachigen Belgier einsetzte, bekannte sich Janetzky nicht klar zu einer politischen Partei. Sie sei aber eher liberal, « libéralisante », gewesen. Sie versuchte aus einem einfachen Grund über der Politik zu stehen: Janetzky glaubte, dass die politischen Akteure « ihre » Sendungen zerstörten. Im Inneren des BHF versuchte sie ein politisches Gleichgewicht zu erhalten, indem sie eine objektive Berichterstattung anmahnte. Janetzky sah sich trotzdem auch als eine der Initiatorinnen der kulturellen Unabhängigkeit in Belgien, war aber mit der Form der Kulturautonomie unzufrieden.

Was die Autonomiedebatte anbelangt, hat Janetzky nicht direkt Partei ergriffen. Auch hat sie die Debatte nicht im Keim erstickt, indem sie die Objektivitätsregeln der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit eiserner Hand durchsetzte. Viel mehr gefiel ihr die Art der freieren Berichterstattung ihrer jungen Sprecher und Radiojournalisten am Ende der 1960er Jahre.  Sie tendierte zu einer Verteidigung ihrer Mitarbeiter und hatte eine recht weite Auffassung der Pressefreiheit. Obwohl sie also für eine stärkere Bande zwischen dem Königreich Belgien und den deutschsprachigen Belgiern sorgen wollte, unterdrückte sie keineswegs die Berichterstattung ihrer Mitarbeiter über die Autonomie Ostbelgiens.

Im Laufe ihrer Tätigkeit erhielt sie mehrere Auszeichnungen. Unter anderem wurde sie 1975 mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse, 1973 mit dem Großen Silbernen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und 1965 mit dem Orden Polonia Restituta ausgezeichnet. Darüber hinaus wurden ihr die Ränge « Chevalier » (1964) und « Officier » (1968) des Leopoldsorden verliehen.

Nach 29-jähriger Tätigkeit legte sie 1974 ihre Funktion als Direktorin des BHF nieder.

Quellen und weiterführende Literatur

Vitus Sproten, Ostbelgien hört Ostbelgien. Der Belgische Hörfunk im Kontext der Debatten um die Kulturautonomie der deutschsprachigen Belgier 1965-1974, Brüssel 2019.