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Keine Vogel-Strauß-Politik in Ostbelgien?

6.09.2022
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1960, Kappensitzung in Manderfeld. Das „vorwitzige Jüppchen“ nimmt den Vogelfang aufs Korn. Der Höhepunkt der Sitzung der lustigen Frankenthaler war nicht überraschend, da die Kappensitzung mit dem Vogelfang ein Thema aufgriff, das die Gemüter in den 1960er Jahren bewegte. So schreibt die Sankt Vither Zeitung rückblickend: „Wie Diogenes, der einen Menschen suchte, kam Joseph Müller als ‚vorwitziges Jüppchen’ mit einer Stalllaterne auf die Bühne. Er brachte das zur Zeit in Manderfeld aktuellste Thema: den Vogelfang. Der brausende Beifall des Publikums zeigte, daß jeder einzelne, der aufs Korn genommen wurde, erkannt wurde. Die sehr schlagfertige Kapelle spielte dann als Büttenmarsch ‚Alle Vögel sind schon da’.“ (1) Die Krönung der Sitzung waren dann noch Tünnes und Schäl, die erneut das Thema aufgriffen und einen Vogel aus dem Hut zauberten.

Die Argumentationslinien waren zwischen Befürwortern und Gegnern des Vogelfangs recht klar. Die Grundidee der Gegner war: Vögel gehören zu unserer Umwelt und tragen zum nachhaltigen Funktionieren derselben bei. Daher glaubten die Gegner des Vogelfangs, dass die Vogelwelt – ähnlich wie Wasser oder Luft – Gemeingut sei. Die Argumentation der Befürworter war etwas einfacher gehalten: Die Vögel waren im Wohnzimmer schön anzusehen und anzuhören, und der Vogelfang war das Hobby des kleinen Mannes.

Der Vogelfang wurde – ebenso wie die Jagd – durch die Behörden überwacht. Vogelfänger benötigten einen Jagdschein, den der Bezirkskommissar ausstellte. Doch auch die Gemeinden griffen in das Geschehen ein. Die Gemeinde Meyerode verbot beispielsweise 1961 den Fang auf allen Parzellen, die der Gemeinde gehörten. Die Gemeinde Elsenborn tat dasselbe und rief die Bevölkerung auf, ihre Grundstück den Vogelfängern nicht mehr zu vermieten. In Bütgenbach versuchte der Gemeinderat durch erhöhte Steuern auf die Fanggenehmigungen dem Treiben ein Ende zu setzen.

In den Leserbriefen der Sankt Vither Zeitung regte sich vermehrt Widerstand gegen den Vogelfang. Die meisten Zuschriften sprachen sich gegen den Vogelfang aus. Nur sehr selten verteidigte ein Leser die Vogelfängerinteressen. Dies lag wohl auch daran, dass nur wenige Ostbelgier diesem Hobby frönten. So schreibt wiederum die Sankt Vither Zeitung 1962 exemplarisch: „Im Gebiet der Kehr auf belgischer Seite sind die Vogelfänger aus dem Raum Brüssel und Lüttich wieder in Aktion getreten […]“ (2).

Vor allem der belgische Staat erregte Aufsehen wegen seiner rückständigen Haltung und der noch in den 1960ern geltenden Legalität des Vogelfangs. Zwar hatte er Anfang der 1960er Jahre Fangschlingen untersagt und die EU-Vogelschutzrichtlinie verbot seit 1979 generell den Vogelfang, doch Belgien setzte diese Vorgabe erst 1993 um. Allerdings werden noch bis heute auf dem Gebiet der Wallonischen Region Jahr für Jahr illegal Vögel gefangen.

Die belgische Vogelfanggesetzgebung hatte schon in den 1930er Jahren den Unmut der Eifeler geweckt, wie lange Leserbriefe in der Malmedy-Sankt Vither Volkszeitung verdeutlichen (3). Kein Wunder, waren doch die Eupen-Malmedyer als Bürger des Deutschen Reichs bis 1920 für den Vogelschutz durch das Reichsvogelschutzgesetz, das den Vogelfang schon 1908 im Deutschen Reich verbot, sensibilisiert. In Belgien wurden die ersten Vogelschutzverbände 1922 gegründet.

Eine starke Front gegen den Vogelfang bildete sich dann ab 1968 durch die Gründung der Vogelschutzorganisation Aves. Unterstützt von Bürgervereinigungen (wie dem Komitee gegen den Vogelmord e.V. oder wallonischen Vogelfanggegnern) trieb es viele Vogelsympathisanten jedes Wochenende auf die Felder der Eifel, um dem Treiben lautstark ein Ende zu bereiten.

Vitus Sproten
Aus ZVS, 2018/09, S. 211-212.

(1): St. Vither Zeitung, Bei den lustigen Frankenthalern, 26. Januar 1960, S. 3.

(2): St. Vither Zeitung, Die Vogelfänger in Aktion, 11. Oktober 1962, S. 3.

(3): Leserbrief von J. Heinen in: Malmedy-Sankt Vither Volkszeitung, SOS! Gefahren die uns drohen! Kampf den Vogelfängern, 13. August 1932.