Mein Geschenk an Ostbelgien ist ein Buch, das ich 2015 geschrieben habe und das gerade in einer aktualisierten und erweiterten Neuauflage erschienen ist: „Streifzüge durchs östliche Belgien“. Damit möchte ich deutsche und deutschprachige Menschen auf unsere Region aufmerksam machen.
Aus dem Buch will ich eine kleine Geschichte hier wiedergeben; sie wurde in meiner Familie oft und gerne erzählt. Sie geht so:
Meine Großeltern mütterlicherseits pilgerten in den 1920er Jahren jeden Sonntag zu Fuß von Aachen nach Moresnet-Kapelle. Mit dabei stets die Kinder, darunter auch meine Mutter. Ein anstrengender Weg, aber er musste getan sein. Beten und Kerzenanstecken in der kleinen Marienkirche standen natürlich im Vordergrund, aber es gab noch ein weiteres Motiv für die Ausflüge: Es wurde in Belgien vieles eingekauft, was in Deutschland in diesen Jahren nicht oder nur teuer zu bekommen war. Selbst Brot wurde von dort mitgebracht.
Das Einkaufen war allerdings nicht erlaubt, und so kontrollierten im Wald deutsche Zöllner, die offenbar keine Gnade kannten und sogar Kinder festhielten. Denn die wurden natürlich von ihren Eltern ebenfalls zum Schmuggeln eingesetzt.
Meine Großmutter habe ich nur als liebe Bilderbuchoma in Erinnerung. Doch einmal ist sie furchtbar aus der Haut gefahren. Im Preusswald, also im Grenzgebiet, wurde die kleine Karawane, an diesem Tag bestehend aus meiner Oma und den Kindern, von einem Zöllner angehalten. Er kontrollierte, was in den mitgeführten Taschen alles war, fand aber nur eher unbedeutendes Schmuggelgut, also weder Kaffee noch Tabak noch Alkohol. Dafür aber einige große Kastenweißbrote in der mitgeführten Einkaufstasche. Die Brote müsse sie herausrücken, befahl der Zöllner. Doch meine Oma, die wusste, dass das Brot anschließend von den Zöllnern selbst verzehrt würde, weigerte sich. Es gab einen lautstarken Streit, bei dem der Grenzhüter immer wieder die Herausgabe der Tasche mit den Broten verlangte. Die Kinder standen derweil weinend daneben. Und dann platzte meiner Großmutter der Kragen. Mit den Worten: „Die bekommt ihr nicht, eher piss ich drauf!“, setzte sie sich mit geschürztem Rock quer über die am Boden stehende Tasche und tat, wie sie angekündigt hatte.
Wie die Geschichte ausging, weiß ich nicht mehr, aber eigentlich braucht sie kein anderes Ende als dieses.
Archi W. Bechlenberg
Gemmenich