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Karikatur

Der Phrasendrescher: eine Karikatur der SPB

14.09.2022
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Eine Karikatur aus einer Wahlzeitung der Sozialistischen Partei Belgiens (SPB) von 1974 wirft einen kritischen Blick auf die Partei der Deutschsprachigen Belgier (PDB).

Was ist zu sehen? Im Zentrum der Karikatur steht der überdimensionale Kopf eines Mannes. Es ist die stilisierte Abbildung von Michel Louis, einer der Mitgründer der Partei der Deutschsprachigen Belgier (PDB). Die PDB sprach sich für die gleichberechtigte Autonomie der deutschsprachigen Belgier gegenüber Flamen und Wallonen aus.

Michel Louis trägt auf dem Bild die Kleidung einer Insulanerin und lockt mit den Worten „Die PDB führt Dich ins Paradies“. Links von ihm ist ein orientierungsloser Matrose abgebildet. Rechts befindet sich ein Bretterzaun. Er verbirgt das Geschehen auf der Insel, wo Eingeborene ein primitives Leben führen. Es handelt sich um ein „PDB-Lager“, wie ein Schild verdeutlicht. Einer der Eingeborenen dort sagt: „Dieser Wähler läßt sich umgarnen!“. Mit dem Wähler ist der Matrose gemeint. Folglich verspricht Michel Louis dem Wähler ein Paradies, das ihn jedoch in Wirklichkeit – so die Darstellung hinter dem Zaun – zurück in die Steinzeit versetzt und isoliert.

Diese Karikatur kann nur verstanden werden, wenn wir uns gedanklich in die 1970er Jahre zurückversetzen. „Eingeborene“ galten im Denken vieler Menschen als barbarisch, ungebildet und einfältig. Insulanerinnen versprühten den Reiz des Exotischen und des Verbotenen. Im damaligen Denken sollte man sich nicht auf sie einlassen.

Die Karikatur entstand 1974, kurz nach der ersten Staatsreform (1971), die drei Kulturgemeinschaften in Belgien einrichtete: die flämische, die deutsche und die französische Kulturgemeinschaft. Zu jener Zeit wurde vornehmlich darüber debattiert, wie die zukünftige Beziehung zwischen den Kulturgemeinschaften aussehen solle.

Zwei Elemente spielen bei dieser Karikatur eine wichtige Rolle. Erstens glaubten die traditionellen Parteien, dass die PDB die deutschsprachigen Belgier durch ihren Willen zur Autonomie in eine Art Ghetto am Rande Belgiens führen würde; hierfür steht die Insel mit den Eingeborenen, die hinter dem Bretterzaun ihren Horizont nicht erweitern können. Die PDB wolle, dass die deutschsprachigen Belgier so gut wie möglich von der restlichen Bevölkerung des Landes abgetrennt würden. Nur die Politiker der PDB seien daraufhin fähig, mit dem Landesinneren zu kommunizieren und könnten den Deutschsprachigen das innerbelgische Geschehen verfälscht darlegen. Sie verführten die orientierungslosen Wähler – deshalb der Schiffbrüchige und die Insulanerin. Die Tatsache, dass einer der Eingeborenen auf der Insel warnt, der Wähler lasse sich umgarnen, spiegelt seine Enttäuschung wider und auch dies stellt Michel Louis und die PDB als trügerische Verführer dar. Daher der rote Schriftzug: „Sagt Nein zu den PDB-Phrasendreschern!“

In diesem Zusammenhang spielt zweitens auch die Frage nach den Sprachkenntnissen der deutschsprachigen Belgier eine Rolle. Die traditionellen Parteien strebten eine Zweisprachigkeit Ostbelgiens an. Die PDB setzte sich für eine genauste Erlernung der Muttersprache und eine erst spätere Erlernung einer Zweitsprache Französisch ein. Die traditionellen Parteien verunglimpften die Politiker der PDB aus diesem Grund. Die Führenden der PDB seien selber dazu fähig, Französisch zu sprechen. Ihren eigenen Wählern würden sie dies aber nicht zugestehen. Die sozialistische Partei ihrerseits strebte durch die erwünschte Zweisprachigkeit der Ostbelgier eine stärkere Verbindung mit dem französischsprachigen Landesteil an.

Später entwickelte die SP ein nuancenreicheres Verhältnis zur Autonomie und zur Zweisprachigkeit der deutschsprachigen Belgier. Unter den Impulsen einer jüngeren Generation vertrat sie in den 1990er Jahren den Standpunkt, dass die Demokratisierung des Unterrichtswesens nur über den Vorrang der Muttersprache zu erreichen sei.